Nightmare

Von | 6. Februar 2012


Die Krallen der Katze bohren sich in mein Gehirn. Die Augen kann ich nicht schließen, das Blut tropft über meine Wimpern, es schmeckt nach Pfefferminzschokolade.
Ich konnte nicht einschlafen, wie seit neun Nächten, ich dachte an Flugzeuge und hörte das schwere Tackern der S-Bahn-Züge. Wohin die Güterzüge fahren, wo ich wohl ankommen werde – Australien, Kenia, China, Japan, Bonsai, denke ich noch, als ich einschlafe, träume von Bäumen, von Blättern, die herabfallen, von Zwergen, die sich unter den Blättern versteckt halten, die sich tagelang erbitterte Kämpfe liefern um ein Haus, nicht größer als eine Fingerspitze, in das nicht einmal die Zwerge passen. »Moment mal«, möchte ich den Zwergen zurufen, aber sie sind schon alle tot. »Nichtsnutz«, ruft ein Bariton, eine tiefdunkelnasse Wolke, so lang wie ein LKW, die sich den toten Zwergen nähert, »Mahlzeit« ruft und alle toten Zwerge auffrisst.
Schweißgebadet stehe ich senkrecht im Bett, spüre die Katze auf meinem Kopf, die Krallen in meinem Gehirn. »Mäuse gibt es im Garten«, versuche ich es – die Katze schnurrt. Die Katze bohrt mit ihren Vorderpfoten rhythmisch in mein Scheitelbein.
Ich schreie, versuche das Rot aus meinen Augen zu wischen, die Ohren zu verschließen, dieses Schnurren aus der Welt zu schaffen. Meine Hände gehorchen mir nicht, ich halte den Atem an, versinke in dem Rot, in einem Blitzlichtgewitter.
Wie soll ich die Katze nennen »Nicholas« oder »Lucca«? Nenn‘ sie »Tekla«, ruft mir eine Tenorstimme zu, es ist also eine Katze, kein Kater, das hätte ich vorher wissen müssen. Aber jetzt scheint es doch zu spät dafür.

Text: Jürgen Gisselbrecht

 

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